Drei öffentliche Fragen an die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Frau Prof. Dr. Alena Buyx

Am 23. Februar 2021 tat die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Prof. Dr. Alena Buyx, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk ihre „gemischten Gefühle“ mit Blick auf die vorgezogene Impf-Möglichkeit für Kita-Fachkräfte kund (Mitschnitt des Interviews). Fröbel hat drei Rückfragen, die wir an dieser Stelle öffentlich stellen wollen.

Berlin, 3. März 2021

Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Buyx,

mit großem Erstaunen haben wir in der letzten Woche Ihr Interview im Deutschlandfunk gehört. Sie beschreiben darin Ihre „gemischten Gefühle“, weil sich die rund 4.200 Mitarbeitenden in unseren Kitas und Horten jetzt früher gegen Covid-19 impfen lassen können. Gemeinsam mit der Ständigen Impfkommission (STIKO) und den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der Leopoldina haben Sie bereits im November darauf hingewiesen, dass neben dem Risiko schwerer oder gar tödlicher Krankheitsverläufe auch das berufliche Expositionsrisiko bei der Impf-Reihenfolge eine Rolle spielen muss. Vernünftigerweise nahm die daraus resultierende Verordnung nicht nur die besonders vulnerablen Gruppen in den Blick. Sondern sie räumte von Anfang an auch Berufsgruppen wie den medizinischen Fach- und Pflege-Personal oder den Polizistinnen und Polizisten Vorrang bei der Impfung ein – völlig zu Recht!

Die Zulassungsbeschränkung von AstraZeneca auf Menschen unter 65 Jahren bietet jetzt die Chance, jüngere Menschen aus vulnerablen Gruppen zu impfen und Menschen mit einem hohem berufsbedingten Infektionsrisiko vorzuziehen, ohne ältere Menschen dadurch zu benachteiligen. Wenn Kitas und Schulen dadurch frühzeitiger wieder öffnen können und in den Bildungseinrichtungen ohne Angst und große Stressbelastung gearbeitet werden kann, dann ist das aus unserer Sicht auch eine große Chance für die Bildung und die Zukunftschancen der Kinder in diesem Land. 

Wir wollen nicht, dass Kita-Fachkräfte, die bei der Betreuung kleiner Kinder weder Mindestabstände einhalten noch durchgängig Masken tragen können, in Deutschland jetzt als "Impf-Vordrängler" gelten. Ihr Wort als Vorsitzende des Deutschen Ethikrats hat für viele Menschen besonderes Gewicht. Ihre öffentlich geäußerte Irritation würden wir deshalb gerne nachvollziehen können. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen – ebenfalls öffentlich – drei Fragen stellen:

  1. Seit der Veröffentlichung Ihrer oben angesprochenen Empfehlungen ist viel Zeit vergangen. Mittlerweile haben gleich drei große Krankenkassen Analysen veröffentlicht. Zwei davon kommen zum Ergebnis, dass aktuell keine Berufsgruppe häufiger an Covid-19 erkrankt als Beschäftigte in der Kinderbetreuung. Sie liegen hier an der Spitze – noch vor den medizinischen Fachangestellten (Analyse der AOK, Analyse der BRK). In der dritten Auswertung teilen sich Erzieherinnen und Erzieher einen traurigen zweiten Platz mit den Angehörigen verschiedener Gesundheitsberufe. Uns interessiert: Inwiefern haben Sie diese Fakten beeinflusst, als Sie sich Ihre im Deutschlandfunk geäußerte Meinung gebildet haben? 
  2. Sie bedauern in dem Interview, dass man durch die Änderung der Impfreihenfolge das Prinzip aufgibt, das dieser Priorisierung ursprüngliche einmal zugrunde lag. Wir kennen nur die aktuelle Datenlage dreier großer deutscher Krankenkassen zur den Covid-bedingten Krankschreibungsdaten und unsere eigenen korrespondierenden Covid-Fälle im Unternehmen – das sind derzeit (Stand 22. Februar 2021) 245 bestätigte Fälle. Aber vielleicht basieren die berufsbezogenen Priorisierungen in Ihrem ursprünglichen Vorschlag ja auf anderen Dingen. Können Sie uns die Datengrundlage oder das zu Grunde liegende Prinzip für Ihre Vorschläge der zur priorisierenden Berufsgruppen bitte einmal erläutern? Welche ethische Grundlage rechtfertigt es, dass Kita-Beschäftigte weiterhin ein solch hohes Erkrankungsrisiko haben sollen? 
  3. In einer internen Umfrage haben uns 92 Prozent unserer Beschäftigten mitgeteilt, dass öffentlich gar nicht wahrgenommen wird, was sie im Rahmen der Pandemie wirklich leisten. Ein Jahr lang haben sie in den Einrichtungen tapfer die Stellung gehalten und viele mit heißer Nadel gestrickte Beschlüsse aus Politik und Verwaltung zu Ende gedacht. Die lang ersehnte Anerkennung dafür kam jetzt endlich von höchster Stelle. Das macht jetzt ausgerechnet der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats „Bauchschmerzen“. Möchten Sie den Kita-Fachkräften in Deutschland diesbezüglich etwas mittteilen?

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit unseren Fragen nicht zu nahe treten – um die Aufgaben eine Reihenfolge für die Impfung festzulegen hat Sie sicherlich niemand in Deutschland beneidet. Und wir sind uns sicher, dass Sie Ihre Entscheidungen und öffentlichen Äußerungen dazu nicht leichtfertig treffen. Gerade deshalb möchten wir und unsere Mitarbeitenden gerne verstehen, wie Ihre Vorbehalte vor dem Hintergrund der oben genannten Auswertungen und Statistiken zustande kommen. Wir würden uns deshalb sehr über Ihre Antworten freuen. Die Zweifel an der ethischen Rechtmäßigkeit eines früheren Impf-Angebots für die Kita-Fachkräfte in Deutschland haben Sie öffentlich geäußert – meinen Sie, es wäre möglich, dass Sie uns auf unsere drei Fragen ebenfalls öffentlich antworten?

Mit den besten Grüßen 

Stefan Spieker

Geschäftsführer
Fröbel Bildung und Erziehung gemeinnützige GmbH

Vorbehaltlich des Einverständnisses von Prof. Dr. Alena Buyx werden wir die Antwort der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats an dieser Stelle veröffentlichen, sobald sie uns vorliegt.