Aktuelles 29. März 2017 · HO

Vom Glück der eigenen Tat – starke Kinder durch Inklusion

Provokante Thesen zum System der frühkindlichen Bildung in Deutschland und die Auseinandersetzung mit dem Thema Inklusion den FRÖBEL-Fachtag in NRW

Unter dem Titel „Vielfalt in der Lebenswelt Kita“ fand heute im Rahmen des 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetags, des größten Kinder- und Jugendhilfekongresses Europas, der FRÖBEL-Fachtag statt. Über 900 FRÖBEL-Beschäftigte aus Nordrhein-Westfalen und Hessen sowie weitere interessierte Besucher*innen nahmen an der Veranstaltung auf dem Messegelände in Düsseldorf teil.

FRÖBEL konnte drei ausgezeichnete Referent*innen für Fachvorträge zu den Themen frühe Bildung und Inklusion gewinnen. Den Anfang machte Prof. Dr. Gerald Hüther, einer der bekanntesten Lern- und Hirnforscher Deutschlands. Er hielt einen Gastvortrag zum Thema frühes Lernen, in dem er sich kritisch mit dem Bildungssystem, insbesondere dem Schulsystem auseinandersetzte, das noch immer auf reine Wissensvermittlung setze und Kinder damit zum wirtschaftsförmigen Objekt degradiere. Ziel müsse sein, Kindern die Freude am Lernen, Entdecken und am gemeinsamen Tun zu vermitteln, da sie nur als Gestalter ihrer Lernerfahrungen zu starken Persönlichkeiten heranwachsen könnten. Ihre Potenziale könnten Menschen nur voll entfalten, wenn sie in einem Gefühl der Kohärenz lebten – Bedingung dafür sei das Gefühl, von mindestens einem Menschen angenommen zu sein. Pädagogische Fachkräfte hätten die besondere Chance, Kindern dabei zu helfen, zu einem kohärenten und würdevollen Leben zu finden.

Anschließend sprach Renate Zimmer, Erziehungswissenschaftlerin und Professorin für Sportwissenschaften an der Universität Osnabrück darüber, wie Kinder ihre Potenziale entfalten und wie ihre Ressourcen über Bewegung entdeckt werden können – zentrales Ziel einer inklusiven Pädagogik. Mit eindrücklichen Beispielen aus der psychomotorischen Praxis kann sie belegen, dass Kinder Erstaunliches erreichen können, wenn Erwachsene bereit sind, die Perspektive zu wechseln: Kinder vor dem Hintergrund ihrer Ressourcen zu betrachten und nicht als Objekte der Fürsorge. Dazu gehört, die Grenzen zu akzeptieren, die ein Kind sich selbst gesetzt hat und zu erkennen, dass das "Glück der eigenen Tat" sich für Kinder nicht an Quantitäten misst. Entscheidend dafür ist, Kindern das Recht auf eigene Erfahrungen zuzugestehen, ein zentrales Kinderrecht, das auch im FRÖBEL-Leitbild festgehalten ist. Zimmers Praxisbeispiele zeigen: Es ist möglich, mit Kreativität und Zuwendung durch alltagsintegrierte Bewegungsangebote Inklusion zu fördern.

Abgerundet wurde der Fachtag durch den Beitrag des Pfarrers und Kabarettisten Rainer Schmidt, der ohne Hände aber mit reichlich Humor den Umgang mit Behinderung in der Gesellschaft thematisierte. Inklusion ist nach seiner Definition die „Kunst des Zusammenlebens von sehr verschiedenen Menschen“. Aus dem Bewusstsein heraus, dass der Umgang mit Behinderung bei den meisten Menschen Verunsicherung erzeugt, empfiehlt er Pädagog*innen eine offene Haltung: „Ich habe keine Ahnung, wie dieses Kind tickt, aber ich gehe in Kontakt.“ Der nächste Schritt sei, von dem Kind zu lernen und zu überlegen, wie sich die eigene Einrichtung verändern muss, um das Gefühl der Zugehörigkeit zu ermitteln. Erst dann sei Inklusion erfüllt. 

Die FRÖBEL-Mitarbeiter*innen aus den insgesamt 55 Krippen, Kindergärten und Familienzentren in der Region profitierten doppelt vom Besuch des Kongresses: Auf dem Fachtag erhielten sie neue fachliche Impulse rund um das Thema Inklusion und bekamen die Chance, einmal jenseits des herausfordernden Berufsalltags gemeinsam ihre Rolle als pädagogische Fachkräfte im Bildungssystem und in der Gesellschaft zu reflektieren. Der anschließende Messebesuch bot die Möglichkeit zum Vernetzen mit anderen Akteuren der frühen Bildung – Kommunen, Vereinen und Verbänden – und inspirierte zu neuen Ideen für die pädagogische Arbeit.

FRÖBEL präsentiert sich während des Kongresses noch bis zum 30.03.2017 mit einem eigenen Messestand als Arbeitgeber und engagierter überregionaler Träger von Kindertageseinrichtungen.