Aktuelles 23. August 2023 · (jmei)

30 Jahre FRÖBEL-Familienberatung in Berlin

Die FRÖBEL-Familienberatung CON-RAT feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Sie wurde als erstes Projekt des FRÖBEL e. V. und gemeinsam mit dem Legasthenie-Zentrum e. V., gefördert von der Senatsverwaltung, initiiert. Ein Gespräch über Zäsuren, Meilensteine und neue Aufgaben.

Uwe Knape leitet heute die FRÖBEL-Familienberatung CON-RAT. Gudrun Rannacher ist eine der Mitgründer:innen und leitete die Beratungsstelle mehrere Jahre lang. Heute ist sie im Aufsichtsrat von FRÖBEL tätig.
Die FRÖBEL-Familienberatung CON-RAT und der FRÖBEL Kindergarten Campus Kids befinden sich in Berlin-Adlershof. Foto: FRÖBEL e. V. / Bettina Straub

Die FRÖBEL-Familienberatungsstelle CON-RAT feiert ihr 30-jähriges Bestehen. Sie wurde als erstes Projekt des FRÖBEL e. V. und gemeinsam mit dem Legasthenie-Zentrum e. V., gefördert von der Senatsverwaltung, initiiert. Dr. Gudrun Rannacher baute die Beratungsstelle mit auf, leitete sie bis 2013 und begleitet deren Entwicklung danach als Vorstandsmitglied. Seit zwei Jahren ist sie Mitglied im Aufsichtsrat des FRÖBEL e.V. Heute leitet Uwe Knape die Beratungsstelle. Im Interview sprechen wir über Zäsuren und Meilensteine.

30 Jahre sind eine lange Zeit. Unsere Gesellschaft ist diverser geworden. Haben sich auch die Themen von Familien in dieser Zeit verändert?

Gudrun Rannacher: Ja und nein. Viele der „klassischen“ innerfamiliären Probleme, zu denen Beratung angefragt wird, haben sich nicht grundsätzlich verändert wie zum Beispiel zu Erziehungsschwierigkeiten bei Kleinkindern, Schulkindern und Teenagern. Auch Paarkonflikte, Trennung, Scheidung und einhergehende Sorgerechtsfragen gehören dazu. Einige der Themen in Familien sind komplexer geworden. Auch Existenzfragen belasten Familien und Kinder immer noch, das hat sogar noch zugenommen. In den 1990er Jahren standen diese häufig im Zusammenhang mit den Veränderungen nach der Wiedervereinigung und ab 1998 tendenziell mit der Reform des sog. „Kindschaftsrechts“. Auch die gesellschaftliche Vielfalt in einer Stadt wie Berlin spielte in der Arbeit der Erziehungs- und Familienberatungsstellen schon immer eine große Rolle. So war es folgerichtig, dass auch Beratung für Familien mit Fluchthintergrund seit 2015 zum Leistungsspektrum gehört.

Uwe Knape: Gerade in der Corona- und Post-Corona-Zeit hat sich das Medienverhalten vieler Kinder verändert, was sich in den letzten Jahren ohnehin andeutete. Viele Eltern zeigen sich besorgt über den Konsum ihrer Kinder und erleben sich mitunter ohnmächtig gegenüber suchtförmigem Verhalten. Einhergehend mit den globalen Krisen melden sich vermehrt Familien bei uns mit Kindern und Jugendlichen, die z. B. an Ängsten und Depressionen leiden. Ein weiteres großes Thema ist die Zunahme von Gewalttaten im familiären Feld, sowohl in Paar- und Trennungskonflikten als auch unter Kindern. Seit etlichen Jahren bewegen uns zunehmend die Diskussionen um geschlechtliche Identität und Vielfalt, die natürlich auch in vielen Familien eine große Rolle spielen.

Wie hat die Beratungsstelle auf die Veränderungen reagiert?

Uwe Knape: Was die große Vielfalt an Themen angeht, setzen wir natürlich auf differenzierte Fortbildungen der Kolleg:innen und die für gute Erziehungsberatungsstellen tatsächlich notwendige Multiprofessionalität. 

Mit der Pandemie haben wir unsere digitalen Angebote stark ausgebaut. Mittlerweile bilden Online-Beratungen einen festen Bestandteil unseres Portfolios, und es gibt eine Reihe digitaler Gruppenangebote und Workshops für Eltern. Wir sind Teil des Netzwerks „Virtuelle Beratungsstelle der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung“, das Eltern und Jugendliche anonym und online unterstützt. Besonders gern nutzen Jugendliche die Chatfunktion – auch hier können sie sich Rat holen, ohne ihren Namen preisgeben zu müssen.
Für geflüchtete Familien bieten unsere beiden Familienberatungsstellen CON-RAT und CLARA in Berlin seit vielen Jahren mehrsprachige Beratungen an, unter anderem auf Arabisch, Farsi und Vietnamesisch.

Inwiefern haben sich daraus neue Aufgabenstellungen ergeben?

Uwe Knape: Die bestehende innerbezirkliche und berlinweite Vernetzung mit vielen verschiedenen Anlaufstellen für Menschen in Not gewinnt zunehmend an Bedeutung, um auf komplexere Bedarfe nachhaltig reagieren zu können. 
Über thematisch aktuelle Gruppenangebote kann Familienberatung einen Beitrag zur Vernetzung der Eltern bzw. Familien leisten. Der Bedarf an Psychotherapie ist erheblich gestiegen, aber das Gesundheitssystem fängt dies nicht genügend auf – auch das führt zu einem Zuwachs an Anfragen bei uns. Insofern freuen wir uns über die personelle Aufstockung nach der neuen Rahmenverordnung für Familienberatung in Berlin. Die Kompensation therapeutischer Leistungen durch uns ist nur begrenzt leistbar. Dennoch liegt darin auch perspektivisch eine Chance zur breiteren Differenzierung unserer Angebote. Grundsätzlich bleibt unsere zentrale Aufgabe die Begleitung von Eltern in Erziehungsfragen mit einem hohen Maß an Beweglichkeit in Bezug auf die sich verändernden Themen.  

Was ist das Besondere an den Angeboten der Familienberatungsstellen – und warum sollten sie auch zukünftig allen Familien zur Verfügung stehen?

Gudrun Rannacher: Gesetzlich verankert ist, dass Eltern zu Erziehungsfragen und Familienschwierigkeiten kostenfreie professionelle Unterstützung zusteht. Deshalb sind die Angebote in Familienberatungsstellen bundesweit niederschwellig und vertraulich, Familien benötigen keine Überweisung, lediglich eine vorherige Anmeldung. Das ist wichtig, nicht nur für einkommensschwache Familien, sondern auch, damit Eltern die Möglichkeit haben, Unterstützung nicht erst bei hocheskalierten Schwierigkeiten in Anspruch zu nehmen.
Der Beratungsverlauf ist sehr individuell auf die Belange der Familien angepasst. Bei manchen reicht eine einmalige Sitzung, andere kommen regelmäßig über viele Monate als ganze Familie oder in Einzelberatung. Für einige Kinder oder Jugendliche kann eine psychotherapeutische Begleitung mit Elternberatung oder ein Gruppenangebot notwendig sein. Und nicht zu vergessen: An Familienberatungsstellen können sich auch pädagogische Fachkräfte wenden, die mit Kindern und Familien arbeiten.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Weiterführende Links:

eltern.bke-beratung.de
jugend.bke-beratung.deEfb-berlin.de
FRÖBEL-Familienberatung CLARA 
FRÖBEL-Familienberatung CON-RAT
FRÖBEL- Erziehungs- und Familienberatung Senftenberg  

Chronik

1990               
Gründung des Fröbel e.V. in Berlin Prenzlauer Berg

1993              
Offizielle Einweihung von CON-RAT, einer gemeinsamen Beratungsstelle vom Fröbel e.V. und Legasthenie-Zentrum e.V. nach mehr als einjähriger Aufbauphase von der Idee bis zum Bezug der Räume in der Driesener Straße 23 in Berlin Prenzlauer Berg

1997               
Fröbel e.V. übernimmt aus organisatorischen Gründen die alleinige Trägerschaft von CON-RAT, die Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen vom Legasthenie-Zentrum e.V. bleibt weiterhin eng

2001               
Verwaltungsreform: Aus 23 werden 12 Bezirke mit jeweils einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle (EFB) in kommunaler und freier Trägerschaft; CON-RAT wird die freiträgerschaftliche EFB in Treptow-Köpenick, Eröffnung der neuen Räume in der Altheider Straße 14 in Berlin-Adlershof Ende 2000 und Expansion auf der Grundlage der Berliner Rahmenvereinbarung EFB im Land Berlin

2010               
CON-RAT bezieht neue Räume auf dem Gelände des neuen Fröbel-Kindergartens und Familienzentrums Campus Kids in Adlershof, Hans-Schmidt-Straße 14

2017               
Fröbel erhält im Ausschreibungsverfahren die freiträgerschaftliche EFB in Friedrichshain-Kreuzberg, am Interimsstandort im Kinder- und Familienzentrum DAS HAUS Weidenweg 62

2019               
Offizielle Einweihung der EFB in den neuen Räumen Fürstenwalder Straße 25 in Friedrichhain-Kreuzberg unter dem Namen Fröbel-Familienberatung CLARA

Seit 2023         
Die Senatsverwaltung passt die Rahmenvereinbarung EFB im Land Berlin und das Finanzierungsmodell der freiträgerschaftlichen EFBn als Reaktion auf die wachsende Stadt an, dadurch können die Teams vergrößert und die Angebote ausgeweitet werden.