Politik und Gesellschaft 23. Juni 2023 · HO

Soziale Arbeit in der Kita – eine Bereicherung für alle!

Maria Schäfer von der GEW Brandenburg sprach mit Karena Richter, Leiterin des FRÖBEL-Integrationskindergartens Regenbogen in Cottbus, und Kita-Sozialarbeiterin Linda Lenz.

Linda Lenz, Kita-Sozialarbeiterin, mit Karena Richter, Leiterin des FRÖBEL-Integrationskindergartens Regenbogen in Cottbus (Foto: Maria Schäfer/E&W)

Wie entstand die Idee, in Ihrer Kita Kita-Sozialarbeit anzubieten?

Karena Richter: Die Idee, Kita-Sozialarbeit hier bei uns zu haben, habe ich schon viele Jahre. Unsere Kita liegt in einem sogenannten Brenn-punkt. Wir haben gemerkt, es gibt einen stetig steigenden Hilfebedarf auf vielen Seiten. Sei es das Ausfüllen von Anträgen, Problemlagen in den Familien oder Sprachbarrieren. Ich als Leiterin konnte gar nicht alle Fragen der Eltern beantworten und kam auch zeitlich zunehmend an meine Grenzen, wenn es um die individuelle Unterstützung von Familien ging. Viele Familien scheuen es, sich bei Problemen an das Jugend-amt zu wenden. Fehlende Sprachkenntnisse erschweren den Durchblick, welche Anträge wie, wann und wo auszufüllen sind. In der Strategieplanung 2020–2030 unseres Trägers FRÖBEL ist erstmals erwähnt, dass Soziale Arbeit in Kitas etabliert werden soll. Dazu habe ich mich sofort bereit erklärt, da es, wie schon erwähnt, bereits lange ein Anliegen meinerseits war. Dann ging es los …

Linda Lenz: Ich war zunächst in der ambulanten Familienhilfe tätig, als der Träger FRÖBEL Mitarbeiter*innen für ein neues Projekt suchte. Unter dem Titel „Kinder stärken in der Lausitz unter sozialpädagogische Unterstützung“ konnte mittels Unterstützung aus dem Bundesprojekt „Auf!leben - Zukunft ist jetzt.“ die Kita-Sozialarbeit starten. Mich hat die Aufgabe sofort angesprochen. Zusammen mit einer Kollegin begannen wir in Cottbus und Senftenberg. 

Karena Richter: Zu Beginn war das Projekt nur für ein halbes Jahr finanziell abgesichert. Wir brauchten Zeit, um uns überhaupt erst einmal kennenzulernen. Einige Eltern verbanden mit Sozialarbeit eine direkte Verbindung zum Jugendamt. Es dauerte eine Weile, bis wir vermitteln konnten, dass unsere Kita-Sozialarbeiterin nichts mit dem Jugendamt zu tun hat, vertraulich arbeitet und Angebote freiwillig sind. Auch für die Kolleg*innen im Team war es neu und anfangs ungewohnt, eine Sozialarbeiterin im Haus zu haben. Jetzt, nach einem Jahr, läuft es richtig gut. Wir sind super eingespielt und hoffen wirklich sehr, dass uns die Kita-Sozialarbeit erhalten bleibt. 

Linda Lenz: In der Anfangszeit habe ich überlegt, wie ich den Eltern das Angebot der Kita-Sozialarbeit nahebringen kann. So habe ich mich zum Beispiel mit einem Tisch, Stühlen, Keksen, meinem Plakat und einem kleinen Spielangebot für die Kinder vor der Eingangstür postiert und Eltern gefragt, was sie sich von mir als Sozialarbeiterin wünschen. Die Wünsche habe ich auf eine Karte geschrieben und an eine Pinnwand geheftet. Außerdem habe ich mich mit der Sprachfachkraft im Haus, die schon viele Jahre hier arbeitet, ausgetauscht. Es war unheimlich hilfreich, dass sie bei manchen Familien ganz niederschwellig den Kontakt zwischen Eltern und mir herstellen konnte. Ich bin jetzt in zwei FRÖBEL-Kitas in Cottbus tätig. Zu Beginn war ich an zwei Tagen in einer und an drei Tagen in einer anderen Kita. Im Laufe der Zeit wurde aber deutlich, dass es hilfreicher ist, eine Woche in einer und eine Woche am Stück in der anderen Kita zu sein. So können Anliegen besser angegangen werden, zum Beispiel die Unterstützung bei Anträgen.

Welche konkreten Aufgaben und Tätigkeiten kann Kita-Sozialarbeit übernehmen?

Karena Richter: Wir haben in unserer Kita viele Familien die Unter-stützung bei unterschiedlichen Anträgen benötigen. Die Antragsflut ist hoch. Sei es „Bildung und Teilhabe“ oder eine erhöhte Betreuungszeit von sieben bis acht Stunden täglich. Manche Familien möchten keine Unterstützung vom Jugendamt, andere brauchen einfach Hilfe beim Ausfüllen der vielen Formulare und auch beim Erinnern an Folgeanträge, die beispielsweise für die Übernahme des Mittagessens wichtig sind. Aber das ist nur ein Bereich. 

Linda Lenz: Ich arbeite auch themenbezogen mit den Eltern, den Kindern und mit beiden zusammen. So haben wir zum Beispiel einen Workshop mit dem Titel „Wegweiser“ angeboten. Eltern mit Migrationshintergrund konnten aufschreiben, wo sie herkommen und wie weit entfernt ihr Heimatort von der Kita liegt. Eltern, die gebürtig aus der Region kommen, haben aufgeschrieben, wo ihre Lieblingsorte in Cottbus sind. Die Schilder haben wir im Außengelände aufgestellt. Der nächste Schritt war dann das Angebot, die unterschiedlichen Lieblingsorte in Cottbus gemeinsam aufzusuchen. Bei diesen Aktivitäten entstehen ganz automatisch vertrauensvolle Gespräche, auch über Erziehungsfragen. Zu manchen Themen entstehen richtige Gesprächsrunden mit den Eltern. Andere Themen, zu denen wir Elternnachmittage angeboten haben, sind Mediennutzung oder auch ein Kunstprojekt mit einer regionalen Künstlerin, bei der Eltern, Mitarbeiter*innen im Team und Kinder eigene Kunstwerke kreiert haben. In der anderen Kita biete ich Eltern-Kind-Yoga an. Auch das kommt sehr gut an.

Wie erleben die Kinder die Kita-Sozialarbeit? 

Linda Lenz: Die Kinder haben mich sofort mit offenen Armen empfangen. Sie nehmen mich als Ansprechpartnerin an, wie die Kollegen und Kolleginnen des Teams auch. Ich war aber auch von Anfang an in den Gruppen dabei.

Welche positiven Auswirkungen hat die Kita-Sozialarbeit für die Einrichtung?

Karena Richter: Frau Lenz ist regelmäßig in unseren Teamberatungen, was ich sehr wichtig finde. Denn dort planen wir alle wesentlichen Akti-vitäten und Vorhaben, bei denen sie fast immer eingebunden ist. Frau Lenz unterstützt uns auch bei Fallbesprechungen oder bei „schwieri-geren Gesprächen“. 

Linda Lenz: Die Präsenz in den Gruppen hilft mir sehr, einen leichten Zugang zu den Eltern zu bekommen. Beim Bringen oder Abholen der Kinder sprechen die Eltern ganz selbstverständlich mit mir. Und in diesem Zuge erfahren sie auch, dass ich die Kita-Sozialarbeiterin bin. 

Was wünschen Sie sich von der Stadt Cottbus und vom Land Brandenburg konkret zur Verbesserung und Sicherung von Kita-Sozialarbeit?

Karena Richter: Unsere Kita-Sozialarbeit muss erhalten bleiben. Es ist unvorstellbar, wenn diese wertvolle Hilfe wegbrechen würde. In einem Jahr konnten wir so viele gute Angebote etablieren und das Vertrauen der Eltern gewinnen. Wir hoffen sehr, dass es schnellstmöglich eine dauerhafte Finanzierung für Kita-Sozialarbeit im Land Brandenburg geben wird. 

Linda Lenz: Ich würde mir auch mehr Vernetzung und Austausch im Land für die Kita-Sozialarbeit wünschen. Wir brauchen eine einheitliche Definition von Kita-Sozialarbeit – das wünsche ich mir von den Hochschulen. Es wäre auch toll, wenn es eine/n Ansprechpartner*in im Minis-terium für Bildung, Jugend und Sport gäbe, um weiter an Qualität und Sicherung Sozialer Arbeit in Kindertagesstätten zu arbeiten.
 

Wir danken der Redaktion der E&W für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung des Beitrags (veröffentlicht in der Ausgabe E&Wplus 07-08/2023 und online unter www.gew-brandenburg.de/sozialarbeit).