Digitale Medien 02. März 2023 · jmei

Digitale Bildungsdokumentation in Kitas - wozu?

Digitale Werkzeuge spielen heute in fast allen Lebensbereichen eine Rolle – auch in der Kita. So sind in den vergangenen Jahren auch für die Bildungsdokumentation neue digitale Wege entwickelt worden, zum Beispiel für die Portfolioarbeit. Ein Plädoyer von Helen Knauf, Professorin an der Hochschule Bielefeld.

Eine Fachkraft dokumentiert, wie ein Kind die Stabschrecken beobachtet im FRÖBEL-Kindergarten Die Spürnasen in Köln © FRÖBEL e. V. / Fotograf: Boris Breuer
Helen Knauf ist Pädagogin und lehrt und forscht seit 2019 als Professorin für “Bildung und Sozialisation im Kindesalter” an der Fachhochschule Bielefeld.

Neben digitalen Wanddokumentationen und verschiedenen Formen der Projektdokumentation spielen vor allem digitale Portfolios eine Rolle. Dabei können Texte, Fotos, Videos und Audioaufnahmen in einem digitalen Ordner für jedes Kind gesammelt werden. Typischerweise werden die Portfolios über eine App am Tablet genutzt.
Die App stellt in der Re gel eine Vielzahl von Vorlagen mit einem voreingestellten Design zur Verfügung. Portfolioeinträge können dann einzelnen (oder mehreren) Kindern sowie Themen oder Bildungsbereichen zugeordnet werden. Die Portfolios entstehen als virtuelle Ordner. Je nach Anbieter können Beobachtungsbögen wie BaSiK und Seldak hinzugekauft werden.

Außerdem enthalten viele Apps die Möglichkeit, Schlaf und Essverhalten zu protokollieren ebenso wie die Bring und Holzeiten eines Kindes. Einige Programme bieten zudem einen Terminkalender sowie eine Chatfunktion, mit denen die Familien über Veranstaltungen etc. informiert werden können. In der Praxis werden digitale Portfolios in der Regel ausgedruckt und stehen damit zusätzlich in Papierform in einem Ordner für Kinder und Familien bereit.

Warum soll digitalisiert werden?
Ein wesentliches Argument für die Nutzung digitaler Portfolios ist die erwartete Zeitersparnis, da alle Handgriffe wie Fotografieren, Schreiben, Ablegen innerhalb der App erledigt werden können und mobile Tablets eine schnelle Verfügbarkeit ermöglichen. Eine Zeitersparnis kann sich auch dadurch ergeben, dass einzelne Portfolioeinträge mehreren Kindern zugeordnet werden können. Sie sind leicht oder sogar automatisch individualisierbar, sodass sich die Dokumentation einer Gruppenaktivität leicht in mehreren Portfolios wiederfindet. Verlockend sind außerdem die Verknüpfungen der verschiedenen Elemente wie Beobachtungsbogen, Schlafstatistik, Video einer Spielsituation, sodass nichts vergessen und eine umfassendere Aktenführung zu jedem Kind möglich wird. Die digitale Dokumentation ist auch deshalb reizvoll, weil sie eine einfachere Interaktion mit Eltern ermöglichen kann: Das digitale Portfolio können sich Eltern abends auf dem Sofa oder in einer Arbeitspause ansehen und den Fachkräften leicht Feedback geben.

Schließlich kann die Nutzung digitaler Werkzeuge auch die Partizipation von Kindern und Familien stärken: Auf der Seite der Kinder ist es vor allem die intuitive Touch-Technik, durch die die Kinder selbst an der Dokumentation beteiligt werden können. Für Eltern verringern sich Teilhabebarrieren durch die Zugänglichkeit am persönlichen Endgerät. Durch die starke Bedeutung von Bildern in digitalen Portfolios ist die Dokumentation weniger an die Schriftsprache gebunden, die für manche Familien eine Hürde darstellen kann. Hinzu kommt, dass vielen Fachkräften die Arbeit mit digitalen Portfolios einfach Spaß macht. Nicht zu unterschätzen ist schließlich die mit der Nutzung digitaler Kommunikationswege

Wo ist der Haken?
Mit dem Einsatz digitaler Bildungsdokumentation gehen auch Nachteile einher. Ein ganz wesentliches Problem liegt in der Tatsache, dass eine vorgegebene Software verwendet werden muss. Freie, kreative Formen eines Portfolioeintrags haben in diesem standardisierten Layout keinen Platz. Kritisch zu betrachten ist auch die Datenanhäufung, wenn in der App alle möglichen Informationen, zum Beispiel über die Sprachentwicklung, Spielvorlieben, Schlafen oder das Essen, zusammengetragen werden. Das eigentliche Ziel der Bildungsdokumentation – Bildungsprozesse zu begleiten und anzuregen – könnte dabei verlorengehen. Neben der grundsätzlichen Frage, ob eine solch umfassende Dokumentation aus pädagogischen Gründen sinnvoll ist, stellen sich hier auch rechtliche Fragen des Datenschutzes. Und schließlich ist aus Sicht der Fachkräfte die zu erwartende Arbeitsverdichtung im Blick zu behalten, die damit einhergeht, wenn sie nebenbei kontinuierlich dokumentieren. Es ist deshalb wichtig, die Einführung von digitalen Portfolios gut zu planen und dabei auch Grenzen für die Nutzung festzusetzen.

 

Der Beitrag erschien erstmalig im FRÖBEL-Magazin KINDgerecht „Kita digital – Digitalisierung in der frühen Bildung“ 2/2022. Das Magazin kann für Sie kostenfrei hier bestellt werden.