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Qualität der Beziehung zwischen Pädagogischen Fachkräften und Eltern
Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Familien ist die Basis für eine gelebte Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Mit der Qualität der Beziehung hat sich ein Forschungsprojekt der Freien Universität Berlin und der Universität Graz auseinandergesetzt.
In diesem Interview geben Prof. Dr. Inka Bormann, Freie Universität Berlin, und Dr. Jasmin Bempreiksz-Luthardt, Universität Graz, Österreich Einblicke in das Projekt und die Ergebnisse.
Welche Herausforderungen oder Bedürfnisse in den Kitas haben Sie mit diesem Projekt adressiert?
Wenn Eltern ihr Kind erstmals in einer Kita anmelden, wissen sie noch nicht viel über die tatsächlichen Abläufe oder darüber, wie die Fachkräfte den Alltag der Kinder gestalten und mit ihnen umgehen. In vielerlei Hinsicht „müssen“ Eltern den Fachkräften ihr Vertrauen schenken– schlicht, weil sie aus eigener Anschauung ja gar nicht genau wissen können, was in der Kita geschieht. Andersherum kennen auch die Fachpersonen anfangs die Familien noch nicht, wissen nichts über deren Erziehungsvorstellungen, Erwartungen und Ansprüche an die Einrichtung und gehen dennoch vertrauensvoll in den Beziehungsaufbau.
In unserem Projekt interessiert uns genau dieses wechselseitige Vertrauen zwischen Eltern und Fachkräften und wie Einstellungen, Erwartungen und bisherige Erfahrungen mit Vertrauen verknüpft sind.
Welche Ziele haben Sie in dem Projekt verfolgt?
Mit dem Projekt wollen wir mehr darüber erfahren, wie Eltern und Fachkräfte ihr Vertrauen in die jeweils andere Gruppe begründen, also was ihnen wichtig ist, um einer anderen Person vertrauen zu können. Sich genauer mit den Grundlagen von Vertrauen zu beschäftigen, ist unter anderem deshalb wichtig, weil bekannt ist, dass zum Beispiel schwierige Themen leichter angesprochen werden können, wenn Gesprächspartner*innen einander vertrauen.
Eine wichtige Voraussetzung für Vertrauen ist, dass eine Person als vertrauenswürdig wahrgenommen wird. In der Forschung werden dabei in Bezug auf Vertrauenswürdigkeit eine Reihe von Facetten unterschieden, wie etwa Wohlwollen, Integrität oder Kompetenz. Diese Facetten werden bislang meist zwei unterschiedlichen Formen von Vertrauen zugeordnet: entweder dem sogenannten kognitionsbasierten Vertrauen, das auf Wissen und Abwägung beruht, oder dem sogenannten affektbasierten Vertrauen, das auf gegenseitiger Zuwendung und Nähe beruht. Die Trennung zwischen kognitions- und affektbasiertem Vertrauen wird aber immer mehr angezweifelt. Ein Grund dafür ist die Erkenntnis, dass Wissen mit Emotionen verknüpft ist.
Hier knüpfen wir an. In unserem Projekt gehen wir davon aus, dass jede Facette von Vertrauenswürdigkeit sich sowohl aus Wissens- als auch emotionalen Bausteinen zusammensetzt. Wir möchten zum einen herausfinden, ob und inwiefern diese Facetten der Vertrauenswürdigkeit für Eltern wie für Fachkräfte gleichermaßen bedeutsam sind. Zum anderen möchten wir wissen, mit welchen Emotionen die verschiedenen Facetten der Vertrauenswürdigkeit besetzt sind. Dabei interessiert uns, ob sich dies für Eltern und Fachkräfte ähnlich darstellt. Es ist ja zum Beispiel denkbar, dass es einem Elternteil sehr wichtig ist, dass eine Fachkraft im Umgang mit dem eigenen Kind wohlwollend ist. Wenn das Elternteil aber den Eindruck hat, dass dieses Wohlwollen mehr anderen Kindern als dem eigenen Kind entgegengebracht wird, könnte die Facette Wohlwollen mit einem negativen Gefühl verknüpft werden und eine weniger vertrauensvolle Beziehung zur Folge haben. Wenn Eltern und Fachpersonen die gleichen Facetten von Vertrauenswürdigkeit wichtig sind und sie dann auch noch in der emotionalen „Bewertung“ übereinstimmen, nehmen wir an, dass Eltern-Fachkraft-Beziehungen besonders gut gelingen.
Wie sind Sie vorgegangen, um die Forschungsfragen zu beantworten?
In unserem Projekt haben wir insgesamt 13 Eltern und 10 Fachkräfte in Einzelinterviews zu ihren Erfahrungen und Einstellungen mit Vertreter*innen der jeweils anderen Gruppe befragt. Dabei war es uns möglich auch einige Interviews mit Personen zu führen, die sich gegenseitig kennen und sehr konkret aufeinander beziehen konnten, da es sich dabei um die Eltern eines Kindes und die Fachkraft desselben Kindes handelte.
Diese Interviews haben wir dann mit Hilfe der sogenannten Inhaltsanalyse ausgewertet. Dabei haben wir insbesondere darauf geachtet, welche Facetten der Vertrauenswürdigkeit von welchem*welcher Interviewpartner*in selbst genannt wurden und ob dies emotional in positiver, negativer oder neutraler Hinsicht geschah. Die Software, mit der wir gearbeitet haben, hat uns erlaubt, die Ergebnisse dieser Analyse visuell darzustellen und dadurch zum Beispiel die Gruppen der Eltern und die der Fachkräfte gegenüberzustellen und zu vergleichen.
Welches sind die zentralen Ergebnisse? Welche Empfehlungen würden Sie pädagogischen Fachkräften aufgrund der Forschungsergebnisse geben?
Wir konnten im Projekt herausfinden, dass Eltern und Fachkräfte weitgehend darin übereinstimmen, welche Facetten von Vertrauenswürdigkeit ihnen wichtig sind. Dazu zählen die Facetten Ehrlichkeit, Offenheit, Wohlwollen, Verlässlichkeit, Integrität, Empathie und gemeinsam geteilte pädagogische Vorstellungen. Dieses Ergebnis ist insofern spannend, als es auf ein geteiltes Verständnis von Eltern und Fachkräften hindeutet. Es zeigt, dass beide Gruppen ungefähr wissen, wie man sich in solchen Beziehungen verhält, damit sie gedeihen können. Besonders wichtig ist für alle die Facette Kommunikation, die eine tragende Rolle spielt, um auch schwierige Themen miteinander besprechen zu können. Fast alle diese Facetten sind emotional positiv besetzt. Die Facette Integrität wird übereinstimmend ambivalent sowohl von Eltern als auch Fachkräften empfunden, das heißt, es liegen sowohl positive als auch negative Emotionen vor in Bezug auf die gegenseitige Wahrnehmung als integre Beziehungspartner. Die Facette Verlässlichkeit ist zwar beiden Gruppen wichtig, wird aber von Eltern und Fachkräften emotional unterschiedlich besetzt: Denn während Fachkräfte die Verlässlichkeit der Eltern positiv bewerten, erleben die Eltern sie als durchwachsen, d.h. sie empfinden die Verlässlichkeit von Fachkräften mal positiver, mal negativer.
Die Ergebnisse aus den Interviews, die wir mit Eltern und Fachkräften geführt haben, die sich kannten und konkret aufeinander beziehen konnten, stellen sich nochmals etwas anders dar. Fachkräfte scheinen genau zu wissen, aufgrund welcher Eigenschaften Eltern für sie vertrauenswürdig sind, da sie sich nur auf wenige Facetten der Vertrauenswürdigkeit konzentrieren. Sie nennen vor allem die Facetten Offenheit, Empathie, geteilte pädagogische Vorstellungen und Kommunikation. Bei den befragten Elternteilen sieht das anders aus – sie nennen weitaus mehr Facetten, aufgrund derer sie Fachkräfte als vertrauenswürdig wahrnehmen. Auch in Bezug auf die emotionale Bewertung der Facetten unterscheiden sich die untersuchten Eltern-Fachkraft-Paare. Überwiegend zeigt sich, dass die meisten Facetten von beiden Interaktionspartner*innen positiv bewertet werden. Bei einem der untersuchten Paare, in welchem die Befragten übereinstimmend von Schwierigkeiten im Umgang miteinander berichteten, schlagen sich diese problematischen Erfahrungen in den emotionalen Bewertungen nieder: zum einen wird die Facette Ehrlichkeit ambivalent bewertet, zum anderen wird die Kompetenz der Fachkräfte durch die Eltern negativ beurteilt. In einer anderen Dyade, in der sowohl das Elternteil als auch die Fachkraft ein harmonisches Bild der Interaktion beschrieb, gab es mehr Übereinstimmung bei der Bewertung der Facetten, die für beide wichtig sind.
Aufgrund dieser ersten Einblicke in die Ergebnisse der Analyse unserer kleinen Stichprobe lernen wir (und dies ist zunächst wenig überraschend), dass Kommunikation für die Gestaltung einer vertrauensvollen Beziehung entscheidend ist. Wir erfahren ebenso, dass Eltern viel mehr Facetten wichtig sind, um eine Fachkraft als vertrauenswürdig wahrzunehmen als dies umgekehrt der Fall ist. Und für Fachkräfte scheint vor allem zu zählen, dass Eltern mit ihnen „an einem Strang ziehen“, also die pädagogischen Vorstellungen übereinstimmen, Eltern für Ideen und Anregungen seitens der Fachkräfte offen sind und dass die Kommunikation harmonisch ist. Künftige Untersuchungen mit weiteren Befragten werden unter anderem zeigen müssen, inwiefern die gegenseitigen Wahrnehmungen mit ganz besonderen Ereignissen oder Erfahrungen verknüpft sind. Außerdem wäre es interessant, genauer zu untersuchen, inwiefern zum Beispiel Fachkräfte dafür sensibilisiert werden können, was Eltern in der Zusammenarbeit mit ihnen wichtig ist und darauf aufbauend zu erproben, wie es noch besser gelingt, stabile, vertrauensvolle Bildungs- und Erziehungspartnerschaften aufzubauen.
Die in diesem Projekt verwendeten Interviews wurden von Studierenden der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2023/24 im Rahmen eines von Prof. Dr. Inka Bormann und Dr. Jasmin Bempreiksz-Luthardt angebotenen Lehrforschungsprojekts erhoben. Dabei wurden auch Interviews mit pädagogischen Fachkräften aus mehreren Fröbel-Einrichtungen in Berlin geführt.
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