400 Millionen Euro zur Rettung der Kitas in NRW
Wir haben unsere Petition mit 35.000 Unterschriften an Familienministerin Josefine Paul übergeben – und ihr dabei Nachhilfe im Rechnen erteilt!
Denn die Ministerin sagt weiterhin nicht, wieviel es wirklich braucht, um 8.000 freie Kita-Träger in NRW auskömmlich zu finanzieren. Aus unserer Sicht ist die Landesregierung hier entweder im Blindflug, weiß also nicht, wieviel Geld nötig ist, um gute pädagogische Arbeit zu leisten. Oder sie legt die Mittel wissentlich zu gering aus.
Anlässlich unserer Petitionsübergabe vor dem Düsseldorfer Landtag haben wir deshalb mal hochgerechnet: Wenn eine normal große Kita mit 10 Mitarbeitenden in 1,5 Jahren eine zusätzliche Finanzierungslücke von 80.000 Euro zu stemmen hat, aus dem Überbrückungsgeld aber nur ca. 12.500 Euro erhält, kommen wir auf 400 Millionen Euro zusätzlicher Mittel, die die Träger unverzüglich benötigen.
Nicht einverstanden mit Kita-Politik in NRW!
Rund 200 Menschen, darunter viele Erzeiherinen und Erzieher, Kinder und Eltern, versammelten sich auf der Wiese vor dem Landtag, um stellten klar: Sie alle sind nicht einverstanden mit der Kita-Politik in NRW! Deshalb haben sie Familienministerin Josefine Paul heute vor dem Landtag persönlich eine Petition mit ihren Forderungen übergeben und dabei betont: Für eine verlässliche Kinderbetreuung und frühe Bildung braucht es weit mehr Mittel als das Land bisher zur Verfügung gestellt hat. Zeitgleich brachten SPD und FDP Anträge zur Stärkung der Kitas in den Landtag ein.
Freie Kita-Träger schmerzt am meisten, dass die Situation in der frühkindlichen Bildung von der Landesregierung nicht ernst genommen wird und dass viele Betreiber aktuell in Existenznot geraten, weil sie ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen wollen, dies aber nicht können. Denn das Land finanziert diese Steigerung bei ihnen nicht.
Damit die freien Träger weiter den gewünschten und geforderten Beitrag leisten können, forderten sie:
- eine vorgezogene Anpassung der Kita-Finanzierung und
- eine neue Regelung, dass tarifliche Lohnsteigerungen künftig direkt nach ihrem Abschluss – und nicht erst Monate später – berücksichtigt werden.
Bei der Petititionsübergabe vertreten waren neben Politik und Gewerkschaft auch einige Kita-Gruppen, darunter der Fröbel-Kindergarten Westfalenstraße in Düsseldorf. Sie zeigten buchstäblich Flagge, schwenkten fleißig das neue Fröbel-Logo, kletterten auch mal gern auf die Bühne und mischten das Geschehen damit munter auf.
Ministerin Paul, wie auch die familienpolitischen Sprecherinnen und Sprecher zeigten sich sichtlich beeindruckt von soviel Engagement. Mit Fröbel-Bereichsleiter Marek Körner tauschte sie sich, auch abseits des Bühnengeschehens, intensiv aus. Die Statements des Tages haben wir nachfolgend zusammengefasst.
"Das Tischtuch ist immer zu kurz"
Ministerin Josefine Paul sagte mit Blick auf den Rettungsschirm, die Landesregierung habe trotz aller finanziellen Herausforderungen einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der Träger bereits geleistet. Das ändere aber nichts daran, „dass das Tischtuch insgesamt immer zu kurz ist“. Gleichzeitig betonte sie die hohe Bedeutung freier Kita-Träger und habe „großes Verständnis dafür, dass sie ihren Frust zum Ausdruck bringen.“ Die Positionen und Anregungen der Petition werde sie mitnehmen und in allen anstehenden Abwägungsprozessen berücksichtigen.
Konkrete Ideen formulierten die bei der Petitionsübergabe anwesenden familienpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Oppositionsparteien analog ihrer Anträge: Dr. Dennis Maelzer (SPD) fordert, „den Platzmangel in der frühkindlichen Bildung durch eine nachhaltige Stärkung der Kitas zu bekämpfen und Hemmnisse für den Kita-Ausbau konsequent zu beseitigen. Dazu gehört, schon vor der eigentlichen KiBiz-Novelle Maßnahmen zu ergreifen, die die frühkindliche Bildung stärken. Dafür braucht es kurzfristig ein Kitaträger-Rettungspaket in Höhe von 500 Millionen Euro, das die Insolvenzgefahr abwendet und Träger nicht mehr dazu zwingt, die Investitionskostenrücklage zur Sicherung des laufenden Betriebs aufzubrauchen.“
Marcel Hafke (FDP) forderte "konsequentes Handeln, um eine qualitative und verlässliche frühkindliche Bildung in NRW sicherzustellen". Neben der Kindertagespflege stellten die Kitas „mit ihrem engagierten Fachpersonal die frühkindliche Bildung unserer Kleinsten sicher und ermöglichen es Eltern durch das qualifizierte Betreuungsangebot, ihrer Arbeit nachzugehen. „Es ist Aufgabe und klare Länderkompetenz, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen und eine ausreichende Finanzierung sicherzustellen. Dass die Ministerin die Überbrückungshilfe mit nur 100 Millionen Euro ausgestaltet hat, obwohl weitere 110 Millionen Euro an Selbstbewirtschaftungsmitteln zur Verfügung gestanden hätten, spricht Bände. Dass die Landesregierung zudem keine Übersicht über den Stand der Mittelauszahlung bei der Überbrückungshilfe hat, zeigt, dass man nicht gewillt ist, sich mit Realitäten auseinanderzusetzen. Mit Blick auf das entstandene Finanzierungsdelta bei den Trägern gibt es kein Erkenntnisdefizit, sehr wohl aber ein Handlungsdefizit bei dieser Landesregierung.”
„Es ist keineswegs so, dass wir nichts tun”, sagte Jens Kamieth (CDU). Fraktionsübergreifend kämpften alle Familienpolitiker gemeinsam dafür, dass die Kinderbetreuung und frühe Bildung in NRW besser ausgestattet wird. Mit Blick auf die Situation freier Träger sei allen klar, dass eine Summe von 100 Millionen Euro zur Überbrückung der gestiegenen Tariflöhne nicht reiche.
„Ihre Arbeit muss sichtbarer werden“, unterstrich Eileen Woestmann (Bündnis 90/Die Grünen) den hohen Stellenwert dessen, was Erzieherinnen und Erzieher tagtäglich leisten. Nicht nur sie selbst, sondern auch Josefine Paul kämpfe „wie eine Löwin“ für mehr Mittel für Kinderbetreuung und frühe Bildung. Bei der politischen Verabschiedung der Überbrückungshilfe sei im Übrigen nicht mehr Geld die Alternative gewesen, sondern weit weniger.
„Die Kita-Politik unserer Landesregierung läuft immer weiter in die falsche Richtung“, fand Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld (SPD) deutliche Worte aus kommunalpolitischer Sicht. „Als Kommunen fühlen wir uns bei der Finanzierung ohnehin im Stich gelassen. Was aber vergessen wird: Uns fehlen nicht nur Mittel aus dem letzten Rettungspaket zur Unterhaltung unserer eigenen Kitas. Wir müssen auch immer stärker den freien Trägern finanziell unter die Arme greifen, damit die Einrichtungen überhaupt noch existieren können. Schon heute erhalten die freien Träger der Kitas allein in Dormagen mehr als eine Million Euro zusätzlich pro Jahr, um deren Trägeranteile zu finanzieren. Mit einer dramatisch steigenden Tendenz müssen wir Kommunen immer mehr Geld zur Verfügung stellen, weil die Finanzierung des Landes unzureichend ist. Hier besteht dringend Handlungsbedarf.“
Hintergrund:
Um Insolvenzen abzuwenden und dem drohenden Qualitätsabbau entgegenzutreten, haben sich mittlerweile über 70 freie Kita-Träger gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW im Kita-Bündnis NRW zusammengeschlossen und die Petition „Rettet die Kitas in NRW“ gestartet. 35.000 Menschen haben diese bereits mitgezeichnet. Solange das Problem nicht gelöst ist, können weitere ihre Unterschrift leisten.