06. Dezember 2018 · HO

8. Plenum Frühpädagogik mit Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey

Starke Stimmen für vergütete Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern - Giffey verteidigt auf dem Berliner Plenum Frühpädagogik 2018 das "Gute-Kita-Gesetz" und kündigt Maßnahmen für die Gewinnung pädagogischer Fachkräfte an

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey beim Plenum Frühpädagogik (alle Fotos: Bettina Straub)

Das 8. Berliner Plenum Frühpädagogik brach in diesem Jahr erneut den Besucherrekord: Rund 220 Gäste aus Politik und Verwaltung, Wissenschaft, Verbänden und von sozialen Trägern waren der Einladung des FRÖBEL e.V. zur Podiumsdiskussion am 4. Dezember 2018 gefolgt – binnen einer Woche waren fast alle Plätze vergeben. Das zeigt, dass wir mit dem Thema einen Nerv getroffen haben: "Kita-Fachkräftegewinnung: Welche Rahmenbedingungen kann das „Gute-Kita-Gesetz“ schaffen?" Unter diesem Titel diskutierte ein hochkarätig besetztes Podium über Kita-Qualität, Elternbeitragsbefreiung und Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels.

Für das Podium konnte FRÖBEL neben Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey aus dem brandenburgischen Bildungsministerium Volker-Gerd Westphal, Niels Espenhorst (Der Paritätische Gesamtverband), Sünne Espert (Berliner Wasserbetriebe), Manfred Müller-Neuendorf (langjähriger Schulleiter des Erzbischöflichen Berufskollegs, Köln) und Norbert Hocke (ehem. Hauptvorstand der Bildungsgewerkschaft GEW) gewinnen. Einblicke in die Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte steuerten Pia Schnadt (Personalentwicklung und Fortbildung bei FRÖBEL) sowie Annette Höhne (Lernort Praxis-Koordinatorin und Kita-Leiterin bei FRÖBEL) bei. Moderiert wurde die Veranstaltung von Stefan Spieker, Vorsitzender des Vorstands des FRÖBEL e.V.

Aufgrund der aktuellen Debatte um den Entwurf des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung ("Gute-Kita-Gesetz") nahm die Diskussion über die Frage Kitaqualität versus Elternbeitragsfreiheit den ersten Teil der Diskussion in Anspruch. Träger und Verbände kritisieren an dem geplanten Gesetz unter anderem, es enthalte zu viele Handlungsfelder, die außerdem nicht priorisiert seien. Das leiste, so Norbert Hocke, dem "Egoismus der Länder" Vorschub, die das Geld zur eigenen Entlastung größtenteils in die Elternbeitragsbefreiung stecken wollen. Aus Sicht von Bundesfamilienministerin Giffey stehen Investitionen in die einkommensabhängige Beitragsbefreiung von Eltern allerdings nicht im Gegensatz zur Verbesserung der Qualität, da sie den Teilhabeanspruch von Kindern insbesondere aus gering verdienenden Familien absichern.

Weiterhin wird kritisiert, das Gesetz biete keine Planungssicherheit für die Länder, da die Mittel von 5,5 Mrd. Euro nur für den Zeitraum bis 2022 eingestellt seien. Giffey begegnete diesem Einwand mit dem Verweis auf das formulierte Ziel des Gesetzes, "nachhaltig und dauerhaft die Qualität der frühen Bildung, Erziehung und Betreuung in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege bundesweit weiterzuentwickeln" (abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2018/0469-18.pdf). Das Gesetz sei zugleich – im Gegensatz zu den bisherigen Bundesprogrammen im Kita-Bereich mit temporärer Förderung – ein Bekenntnis und ein erster Schritt zu einem verstärkten Engagement des Bundes für die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für Kinder in Deutschland.

Große Einigkeit unter den Podiumsgästen herrschte in der Annahme, die Grundbedingung für den Erfolg des "Gute-Kita-Gesetzes" sei die Gewinnung und Sicherung zusätzlicher pädagogischer Fachkräfte. Nach Berechnungen des DJI und der TU Dortmund werden durch das altersbedingte Ausscheiden aus dem Beruf, die Ausweitung der Betreuungszeiten sowie Verbesserungen beim Personalschlüssel bis 2025 etwa 329.000 zusätzliche Fachkräfte benötigt. Wie kann eine so hohe Zahl pädagogischer Fachkräfte für den Beruf begeistert werden? Und kann die geplante Fachkräfteoffensive des Bundesfamilienministeriums dabei wirksam unterstützen?

Die Podiumsgäste brachten dazu ein Bündel einander ergänzender Ideen vor. So plädierte Manfred Müller-Neuendorf dafür, die Lern- und Ausbildungsorganisation stärker auf erwachsene Quereinsteigende zuzuschneiden und die Zielgruppe Abiturientinnen und Abiturienten stärker in den Blick zu nehmen. Im Wettbewerb um geeignete Auszubildende stehen auch die Berliner Wasserbetriebe, die unter anderem Fachkräfte für Rohr- und Kanalreinigung beschäftigen, ein Beruf mit harten Arbeitsbedingungen. Sünne Espert, Ausbildungsleiterin, schreibt den Erfolg bei der Personalgewinnung unter anderem den vielen Möglichkeiten zu, die immerhin 21 Berufsbilder im Unternehmen bieten sowie einer starken Arbeitgebermarke. Außerdem bemühe man sich verstärkt um eine gute Integration der Azubis – dafür brauche es genügend personelle Ressourcen. Das konnte Annette Höhne bestätigen: Sie koordinierte bei FRÖBEL das ausgelaufene Bundesprogramm "Lernort Praxis", das unter anderem die Praxisanleitung in ausgewählten Kitas stärkte. Aktuell kümmert sie sich um die flächendeckende Etablierung des daraus resultierenden Anleitungskonzeptes in den FRÖBEL-Einrichtungen. Aus ihrer Sicht ist eine gute Praxisanleitung ein wichtiger Gelingensfaktor für die Bindung angehender Fachkräfte.

Pia Schnadt, die 2018 den Start einer eigenen Fachschule für Sozialpädagogik bei FRÖBEL begleitet hat, sprach sich für eine bessere Verzahnung von Theorie und Praxis ab Beginn der Ausbildung aus sowie für deren Vergütung. Das Thema Ausbildungsvergütung ist für viele der zentrale Baustein bei der Ansprache künftiger Fachkräfte. Auch die Ministerin hält es für untragbar, dass Fachschülerinnen und -schüler auf dem Weg in den Erzieherinnenberuf teilweise sogar noch "Schulgeld mitbringen müssen", während in anderen Branchen die Ausbildung kostenlos sei und sogar vergütet werde.

Die geplante Fachkräfteoffensive des Bundesfamilienministeriums setzt laut Giffey an diesen Bedarfen an: Das Schulgeld, das in einigen Bundesländern noch erhoben wird, soll abgeschafft werden. Zudem soll zeitnah am Vorbild des in Baden-Württemberg entwickelten PiA-Modells eine praxisintegrierte vergütete Ausbildung eingeführt werden. Drittens will sie die Praxisanleitung stärken, mit zusätzlichen Zeitstunden und Qualifikationsmaßnahmen für Anleiterinnen und Anleiter in Kitas, die ausbilden. Durch Aufstiegs- und fachliche Qualifizierungsmöglichkeiten soll das Berufsbild der pädagogischen Fachkraft gestärkt und attraktiver werden.

Stefan Spieker resümierte im Anschluss: "Wir empfinden es als große Anerkennung unseres unermüdlichen Einsatzes für mehr Kitaqualität in ganz Deutschland, dass Bundesfamilienministerin Giffey unsere Veranstaltung nutzte, um mit maßgeblichen Akteurinnen und Akteuren aus dem Bereich der frühkindlichen Bildung in den direkten Austausch zu gehen. Sie hat die multiplen Herausforderungen der pädagogischen Praxis offensichtlich sehr gut verstanden. Als bundesweit agierender Träger werden wir nun die Verhandlungen über die Verwendung der Mittel aus dem kommenden "Gute-Kita-Gesetz" in den Ländern kritisch, aber konstruktiv begleiten. Für die angekündigte Einführung der praxisintegrierten vergüteten Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern hat die Ministerin unsere volle Unterstützung."

Abgerundet wurde das diesjährige Plenum durch einen kleinen Stehempfang, den die Teilnehmenden und Podiumsgäste zum regen Austausch nutzen. Auch dafür dient das Plenum Frühpädagogik: dem gegenseitigen Kennenlernen und der Pflege bestehender Netzwerke am Ort der Bundespolitik. 

Weiterführende Informationen

Der Fröbel e.V. bringt zu der jährlichen Veranstaltungsreihe "Frühpädagogisches Plenum" Fachleute aus Politik und Verwaltung, Wissenschaft, Medien und Verbänden sowie die Träger der Kinder- und Jugendhilfe zusammen. Unser monatlich erscheinender Newsletter hält Sie stets auf dem Laufenden über aktuelle Veranstaltungen und Entwicklungen bei Fröbel – hier können Sie sich anmelden: www.froebel-gruppe.de/newsletter


Fotos: Bettina Straub